Mittwoch, 23. November 2005

Plüschiges Weihnachten

Plüschiges Weihnachten

"Ooooooch", seufzte der kleine blaue Plüschbär und blickte mit seinen braunen Glasaugen traurig in die Runde. Er saß ganz oben im Regal der Spielzeugabteilung eines sehr großen Kaufhauses. Der ewige Staub machte ihm ganz schön zu schaffen und er versuchte, seinen Husten zu unterdrücken um ja nicht aufzufallen.

Denn es war Weihnachtszeit, und alle Gänge der Spielzeugabteilung waren voller geschäftig hin und her eilender Menschen.
Viele Spielzeuge wurden aus den Regalen genommen, begutachtet, wieder zurück gestellt oder in einen großen Einkaufswagen gepackt. Fast alle - bis auf den kleinen blauen Plüschbären. Traurig lehnte er an einem Karton in dem ein gelber Bär wohnte. Der hatte zwar nicht so flauschiges Fell wie der kleine Plüschbär, aber dafür konnte er sprechen.

"Puh", sagte dieser gelbe Bär "Lass mich Dein Freund sein" und wackelte dabei mit Armen und Beinen. Das sah sehr niedlich aus und der kleine Plüschbär wurde noch trauriger, denn allein konnte er weder Arme noch Beine bewegen.
Weil er in einem Karton wohnte, war der gelbe Bär auch immer noch sehr gelb und hatte nicht den kleinsten Schmutzfleck auf seinem Körper.
Die Tage vergingen wie im Fluge, und die Regale wurden immer leerer. Aufgeregte Kinder zogen ihre Eltern hinter sich her, zeigten auf dieses oder jenes Spielzeug und weinten oder lachten, je nachdem, wie ihre Eltern sich entschieden hatten.
Noch drei Tage waren es bis zum Weihnachtsfest, und der kleine blaue Plüschbär wurde immer trauriger."Niemand mag mich haben", murmelte er leise vor sich hin.

In diesem Moment gingen die Lichter im Kaufhaus aus. Das Spielzeug begann sich zu bewegen und aufgeregt miteinander zu reden. Alle Regale waren erfüllt von leisem Wispern und aufgeregtem Geschnatter:
"Habt ihr diesen kleinen traurigen Jungen gesehen?", fragte eine blonde Barbie.
"Ja, schon seit zwei Wochen kommt er jeden Tag hierher!", behauptete ihr Freund Ken, der neben ihr stand.
"Ich habe ihn sogar weinen sehen!", sagte der böse Drache Diabolo und lächelte boshaft.
"Ja, das stimmt, und finde es gar nicht lustig!", wies ein hölzerner Hampelmann den bösen Diabolo zurecht.

Auch der kleine blaue Plüschbär hatte diesen Jungen schon gesehen. Er hatte ihn gleich gemocht, denn er war noch so klein und wirkte gar nicht böse, so wie manche Jungen, die ständig bei den Actionfiguren herum standen. Er hatte auch gesehen, wie traurig der Junge war und hätte ihm gern seinen kuscheligen Arm um den Hals gelegt und ihm die Tränen weg gewischt. Ab er saß zu weit oben im Regal. Was also konnte er tun?

Genau darüber machten sich gerade mehrere Babypuppen Gedanken:
"Vielleicht sollte jemand von uns, der sehr klein ist, ganz unauffällig in seiner Jackentasche verschwinden. Wenn er es dann zu Hause bemerkt, wird er sich freuen!"
"Nein, das geht nicht!", mischte sich ein dickes Plüschnilpferd ein "Das ist Diebstahl, und dafür bekommt er mächtig Ärger! Er muss schon bezahlen!"
"Aber ganz sicher hat er kein Geld, und vielleicht haben seine Eltern auch keines?", meldete sich eine kleine Elfe.
"Das kann gut möglich sein, aber Geld haben wir auch nicht und können ihm also auch keines geben!", sinnierte das Nilpferd noch einmal.

"Ich habe eine Idee!", rief ein kleiner Eisbär. Er war wirklich sehr klein und hätte eigentlich in der Babyabteilung liegen müssen, denn er war ein Schmusetuch.
"Wenn einer von uns sich einfach fallen lässt und sehr schmutzig wird oder etwas kaputt geht, dann kann er doch nicht mehr verkauft werden - oder?", fragend schaute er in die Runde.
"Nein", brummte ein Spielzeugauto, "Dann wirst Du aussortiert und landest in einem großen Karton im Lager, und später wirst Du verschenkt an ein Kinderheim, oder so..."
"Na also, dann brauchen wir nur noch einen von uns, der sich fallen lässt! Wer macht es ?"
Kurze Zeit herrschte Stille, dann kam es aus jeder Ecke:
"Nein, ich doch nicht!"
"Ich auch nicht!"
"Wieso denn ich?"
So stritten nun alle, denn keiner wollte schmutzig werden oder gar kaputt gehen.

"Ich", hörte man plötzlich eine leise Stimme,"Ich würde mich fallen lassen!" Es war der kleine blaue Plüschbär, den bisher keiner beachtet hatte.
Alle schauten auf den kleinen Bären und schließlich war jeder damit einverstanden, weil alle fanden, dass der kleine Bär endlich auch ein richtiges Zuhause haben sollte.

Die ganze Nacht über wurde beratschlagt, wie man es am geschicktesten anstellen könne, damit der Bär nach dem Sturz nicht im Lager landete, sondern vielleicht sofort verschenkt werden würde.
Sie wussten sehr gut, dass am nächsten Tag eine sehr nette Verkäuferin in ihrer Abteilung nach dem Rechten sehen würde. Sie war noch sehr jung und hatte viel Spaß daran, den Kindern zu zeigen, was das Spielzeug alles konnte. Es störte sie nie, dass sie fast jeden Morgen das heillose Durcheinander in den Regalen beseitigen musste und vielleicht ahnte sie auch, dass das Spielzeug nachts nicht immer ruhig und still an seinem Platz stand.
Also besprachen sie genau, wie sie am besten vorgehen könnten, und erst als die Türen zum Kaufhaus geöffnet wurden, kehrte wieder Ruhe ein in der Spielzeugabteilung.

Wie jeden Morgen machte die nette Verkäuferin ihren Rundgang durch die Regalreihen, ordnete das Spielzeug, stellte neues dazu und wischte ein wenig Staub.
"Nanu", wunderte sie sich,"Wieso steht das Blechauto ganz oben im Regal neben dem Teddy?"
Sie wollte es gerade wieder an seinen eigentlichen Platz stellen, als der kleine Junge neben ihr auftauchte.
Sie sah ihn an, bemerkte, wie traurig er war und wollte ihn irgendwie trösten. Schnell stellte sie das Auto wieder ins Regal.
Darauf hatten alle nur gewartet - während die Verkäuferin es in der Hand gehabt hatte, hatte das Blechauto vorsichtig seine Räder so in den Ärmel des Kittels verklemmt, dass sich das Schwungrad in Bewegung setzen musste, sobald das Auto wieder im Regal stand. Und siehe da - es funktionierte: Mit einem Hopser und schnurrenden Rädern fuhr gegen den kleinen Bären, und
schwupp, landete dieser direkt vor den Füßen der Verkäuferin.
„Autsch“ dachte der kleine Bär, das hatte ein wenig weh getan und irgendwie konnte er plötzlich auch nicht mehr so gut sehen.
Die nette Verkäuferin hob den kleinen blauen Plüschbären auf. "Ach, Du lieber Himmel!", sagte sie und sammelte kleine braune Glasstückchen vom Boden auf.
"Der arme Bär!", sagte der kleine Junge und schaute den Teddy traurig an..
"Ja, da hast Du recht! Nicht nur sehr schmutzig ist er, nun fehlt ihm auch noch ein Auge!"
"Aber man kann ihn doch trotzdem lieb haben, auch wenn er nicht so schön ist!", sagte der Junge ernsthaft und die Verkäuferin warf ihm einen nachdenklichen Blick zu .
"Weißt Du was? Ich seh mal zu, was ich für den Teddy tun kann! Warte einfach hier.", und damit verschwand sie Richtung Lager.

"Verpatzt!", nuschelte das Spielzeugauto vor sich hin.
Aber da kam sie schon zurück.
"Ich habe darüber nachgedacht", sagte die junge Frau zu dem kleinen traurigen Jungen, "Und habe auch noch ein einzelnes Glasauge gefunden. Es ist zwar blau und nicht braun, aber ich gebe Dir jetzt einen Auftrag!"
Der kleine Junge hörte ihr aufmerksam zu, und langsam begannen seine Augen zu leuchten.
"Du nimmst diesen Teddy mit nach Hause, kümmerst Dich um ihn, als wäre es Dein eigener, wäschst ihn und nähst ihm dieses Auge an.
In zwei Tagen, also am Heilig Abend wirst Du zu mir kommen und mir zeigen, wie es dem Teddy geht. Dann entscheide ich, was mit ihm weiter geschieht! Einverstanden?"
Natürlich war er einverstanden. Er drückte den kleinen blauen Plüschteddy an sich, schob ihn unter seine Winterjacke und verließ, so schnell er konnte, das Kaufhaus. Er sah nicht mehr, dass die nette Verkäuferin lächelte und einen verschmitzten Blick zum kleinen Blechauto warf.


Endlich war es soweit. Es war der Morgen des Heilig Abend, und pünktlich zur Öffnungszeit des Kaufhauses stürmte der kleine Junge in die Spielzeugabteilung - direkt der netten Verkäuferin in die Arme.
"Hier ist er!",rief er schon von weitem atemlos und öffnete eine kleine Reisetasche. Darin lag, eingepackt in eine kuschelige Decke, der kleine blaue Plüschbär. Er war kaum wieder zu erkennen. Sein Fell war sauber und glänzte richtig. Statt nach Staub roch er nun nach Weichspüler und Seife und mit seinen blau/braunen Augen warf er einen fröhlichen Blick aus der Tasche.
Langsam und zögerlich holte der kleine Junge ihn nun aus der Decke, hielt ihn der netten Verkäuferin hin und sagte:
"Wir haben uns sehr gut verstanden und er hat auch nicht geweint beim Waschen !"

Gebannt verfolgte das gesamte Spielzeug, wie es nun weitergehen würde. Die nette Verkäuferin hockte sich vor den kleinen Jungen und blickte ihn ernst an:
"Ich finde, Du hast das sehr gut gemacht. Aber um zu beweisen, dass Du Dich auch wirklich gut um ein Spielzeug kümmern kannst, wirst Du diesen Teddy behalten!
Ich werde sehr genau aufpassen, ob es ihm wirklich gut geht und möchte ihn wenigstens einmal im Monat sehen. Wirst Du mir Dein Wort geben, dass Du gut für ihn sorgst?"
"Oh ja!", sagte der kleine, nun nicht mehr traurige Junge, drückte den Teddybären ganz fest an seine Brust, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab der netten Verkäuferin einen Kuss auf die Wange. " Das werde ich ganz bestimmt!"
Dann legte er den sehr glücklichen, kleinen blauen Plüschbären wieder in die Tasche, winkte ihr noch einmal zu und verließ fröhlich hüpfend das Kaufhaus.

Ein freudiges Hupen ertönte aus dem oberen Regal.
"Pssst!" machte die Verkäuferin, lächelte das kleine Auto an und sagte " Fröhliche Weihnachten, ihr Lieben!"

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